Abschiebung einer Familie in Beerfelden


Von Horst Schnur

Guten Tag!

Ich füge eine Dokumentation bei, die ich für unseren Helferkreis der Kümmerer“ und für die Evangelische Kirche gemacht habe über die Abschiebung der Familie D gestern morgen früh um halb 5.

Wir stehen alle noch unter Schock und sind sehr verbittert darüber, dass wir als ehrenamtliche Helfer gelobt werden, wenn wir Beschaffungsaktionen durchführen, die den Steuerzahler und den Staat entlasten, aber überfallmäßig und unter Kontaktsperre mit einer ungerechtfertigten Abschiebung konfrontiert werden. Die aktuelle Abschiebepraxis gibt uns zu denken, weil wir in der gegenwärtigen rechtsstaatlichen Praxis die viel gelobte Menschenwürde, das Gefühl für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in zunehmendem Maße vermissen.

Es ist schlimm und bedauerlich, wenn uns der frühere Bundespräsident kluge Sätze vorgesetzt hat „Die Freiheit muss jeden Tag verteidigt werden“ und wir werden mit Ereignissen konfrontiert, die an die dunkle Zeit unsere Geschichte erinnern.

Insofern wünsche ich aus meiner Sicht eine nachdenkliche Ostern.

Alles Gute.

Horst Schnur

 

 

Abschiebung der Familie D Beerfelden

 

Am Mittwoch, 12. April 2017 erreicht mich um halb 5:00 Uhr ein Telefonanruf, dass die Polizei bei der Familie D Beerfelden, Neue Straße 6, vorgefahren ist und A, I und das Baby aus dem Bett geholt hat, um sie nach Frankfurt zum Flughafen zu bringen und abzuschieben.

Das ist für mich und für alle Helfer ein Schock, denn die Abschiebung kam überfallartig.

Im Telefongespräch mit den beiden Polizisten aus Erbach wurde mir erklärt, dass sie als Beamte weisungsgebunden sind und entsprechend handeln müssen, wie die zentrale Ausländerbehörde in Darmstadt angeordnet hat. Nach Rückruf bei der Polizei in Erbach wird dies bestätigt.

 

Herr D musste sein Handy abgeben, damit er nicht kommunizieren kann.

Rolf S ging vor Ort zu der Familie und hat das Verfahren mit Mitgefühl aber ratlos beobachtet.

Ich habe Pfarrer Roland Bahre von der Notfallseelsorge in Beerfelden gebeten, im Gespräch vor Ort ein Kirchenasyl anzubieten. Er war unverzüglich bei der Familie D und hat mit den Polizeibeamten gesprochen, die das Ansinnen abgelehnt hat, da Kirchenasyl nur auf kirchlichem Grund und Boden sein kann.

 

Im Telefongespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin S beim Regierungspräsidium in Darmstadt, Zentrale Ausländerbehörde, wurde der Vorgang als zwingend und unabwendbar geschildert. Auch im Gespräch mit ihrem Vorgesetzten, Herrn E, gab es keine Bereitschaft, die Abschiebung auszusetzen.

In den Gesprächen wurde mir erklärt, dass Abschiebungen nunmehr ohne Rücksprache mit den Bevollmächtigten und den Rechtsanwälten geschieht. Ich bezeichne das als überfallartig.

Der Innenminister lässt sich jede Woche eine Statistik über die Abschiebungen vorlegen und ermahnt die zuständigen Mitarbeiter die Abschiebepraxis zu verschärfen. Wenn die Soll -Zahlen für die Abschiebungen nicht erreicht werden gibt es Mahnungen. Auf diese Weise stehen die Mitarbeiter unter Druck. Im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten und Mitglied des Petitionsausschusses, MdL Rüdiger Holschuh, Beerfelden, wird mir dies aus seiner Kenntnis im Hessischen Landtag bestätigt.

 

Der Versuch einer online Petition wird im Hessischen Landtag gegen 9:00 Uhr abgelehnt. Dies wird MdL Rüdiger Holschuh mitgeteilt, der sich darum bemüht hat.

 

Um 6:15 Uhr sitzt die Familie Familie im Auto der Polizei und wird nach Frankfurt zum Flughafen gebracht. Dort soll das Flugzeug um 12:00 Uhr nach Albanien abheben.

 

Ich erreiche Frau Sauf dem Weg zum Büro und bitte Sie noch einmal, ihren Ermessensspielraum zu nutzen und die Abschiebung auszusetzen, bis alle Fragen für ein Bleiberecht aus humanitären Gründen geklärt sind. Ich schicke ihr die diesbezügliche Petition an den Hessischen Landtag.

Nach Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten wird diese Bemühung abgelehnt.

 

Von einem geliehenen Handy konnte Alfred D mit mir um 11:30 Uhr telefonieren und mir seine Situation kurz schildern. Wenn er in Albanien gelandet sein wird, muss er sich um eine Unterkunft bemühen, weil er keine Wohnung hat, in die er mit seiner Frau und dem Baby einziehen kann. Er hat mir zugesagt, dass er mich weiterhin mit den technischen Möglichkeiten, die ihm zur Verfügung stehen informieren wird.

 

Um 16:50 Uhr meldet sich Alfred aus Albanien bei seinen Schwiegereltern Q in Beerfelden und teilt mit, dass sie gut gelandet sind, aber dass die Polizei ihm sein gesamtes Bargeld abgenommen hat. Daher kann er nun in Tirana am Flughafen nichts kaufen und nichts bezahlen. Er steht völlig mittellos am Flughafen. Noch nicht einmal ein Wasser für das Baby kann er kaufen.

 

Die Abschiebung ist für mich als ehrenamtlicher Helfer eine Diskriminierung meiner Arbeit. Sie ist deshalb besonders unangemessen, weil die Familie in hohem Maße integrationsbereit ist. Einen Tag zuvor, am 11. April 2017, hatte ich im Auslänmderamt erneut um eine Arbeitserlaubnis für Alfred bei der Firma Hartmann, Beerfelden, nachgesucht. Mein Schreiben wurde nicht beantwortet, offensichtlich wegen der angeordneten Kontaktsperre mit den Bevollmächtigten. Der Fachmarkt Hartmann beschäftigte Alfred aufgrund eines genehmigten Praktikums für 1,05 € die Stunde und hat ihm ein vorzügliches Arbeitszeugnis ausgestellt, in dem Fleiß und handwerkliches Geschick bescheinigt wird. Die Firma Hartmann hat schriftlich erklärt, dass sie bereit ist Alfred D fest anzustellen und ihm einen Ausbildungsplatz als Heizungsbauer anzubieten. Gerade in dieser beruflichen Qualifikation, ist es der Firma Hartmann nicht gelungen, Facharbeiter zu bekommen, was die Ausübung dieses Zweiges beeinträchtigt.

 

Alfred D spricht mittlerweile sehr gut Deutsch und nimmt am Sprachkurs teil, um sich weiter zu bilden. Er ist in hohem Maße integrationswillig und könnte bei entsprechender Arbeitserlaubnis seine Familie ohne staatliche Unterstützung ernähren.

 

Die Schwiegereltern der Familie die Familie Q, die nach dem Wohnhausbrand in der Geisgasse, wo sie alles verloren hat, nun in der Turmstraße untergekommen ist. Flamur Qarbeitet beim Hausmeister der Grundschule Beerfelden und hat ebenfalls ein hervorragendes Arbeitszeugnis erhalten. Für die Familie Qbesteht eine Petition beim Hessischen Landtag.

Die Familie Q hat 2 Töchter die in der Schule hervorragende Lernfortschritte machen und ihren Schulabschluss erreichen werden. Der kleine Sohn wurde in der Grundschule in Beerfelden eingeschult.

 

Die Familien zählen in Albanien zur ethnischen Minderheit der Balkan-Ägypter. Diese werden sowohl von den Moslems als auch von den Roma sozial ausgegrenzt und diskriminiert. Sie werden entweder von Arbeiten ferngehalten oder erhalten einen wesentlich geringeren Lohn als die Albanier. Sie bekommen keinen Zugang zur medizinischen Versorgung und zur Schulausbildung. Das hat das auswärtige Amt mir bestätigt auf meine Anfrage. In Albanien läuft das wirtschaftliche Leben nach dem Grundprinzip der Beziehungen und mit Korruption. Das erschwert die Lebensumstände für die Familie Dushku erheblich und war der Grund für eine Flucht nach Deutschland. Nun haben sie auch den humanitären Geist in Deutschland nicht gefunden und die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde nicht erleben können.

Ich schreibe die Fluchtgeschichte und die Lebensumstände der Familie Qafa auf und füge den Text bei. Es ist die vor dem Rechtsanwalt im Klageverfahren am Verwaltungsgericht in Karlsruhe unterschriebene eidesstattliche Erklärung.

Die Familie Dwar auf ihrem Fluchtweg von Albanien nach Deutschland in Baden-Württemberg gestrandet und in Freudenstadt angesiedelt worden. Ein sehr kompetenter Betreuerkreis hat sie unterstützt. In einer sehr bürokratischen Familienzusammenführung haben wir die Familie von Baden-Württemberg nach Hessen und nach Beerfelden bringen können, damit die Familie D mit ihrem Baby in der Nähe der Familie Q (Großeltern) sein konnte.

 

Für mich ist die Vorgehensweise der staatlichen Organe sehr deprimierend. Die Abschiebepraxis wird entgegen der ursprünglichen „Willkommenskultur“ von Berlin mit ausdrücklichem Betreiben der Bundeskanzlerin wöchentlich verschärft. Das Partei-C ist weit entfernt von den Begriffen der Barmherzigkeit, der Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Die Spanne zwischen dem Rechtsstaat und dem Rechtsstaatsempfinden klafft immer weiter auseinander. Es bleibt nicht aus, dass bei vielen bei geschichtsbewussten Menschen in Beerfelden die Bilder der Verhaftungen im Dritten Reich wach werden. Der Satz des ehemaligen Bundespräsidenten „Die Freiheit muss täglich verteidigt werden“ klingt als Botschaft wie ein Hohn. In der radikalisierten Abschiebepraxis gibt es keine individuelle Einzelfallprüfung des jeweiligen Schicksals und der entsprechenden Zusammenhänge. Vielmehr wird mit dem „Rasenmäher“ nach einer rücksichtslosen Gleichbehandlungsmethode Verfahren. Die politischen Vorgaben werden in die Justiz übertragen.

Mit der Familie D hat es nach allgemeiner Auffassung der Menschen in Beerfelden absolut die Falschen getroffen. Eine dezidierte Rückkehrberatung hat nicht stattgefunden.

Es ist erlaubt zu fragen, wer diese Rechtsvorgaben in unserem Staate in der jüngsten Zeit gemacht hat, denn sie sind ja nicht vom Himmel gefallen. Wie sollen sie auch in die Welt gekommen sein, wenn sie nicht von Menschen gemacht wurden, die in Panik den Populisten voran laufen um sie nicht zum Ziel zu führen. Was nutzt es, wenn die Verwaltung die Abschiebepraxis in einer vorauseilenden Willfährigkeit radikaler anwendet als sie Populisten selbst es fordern.

 

Horst Schnur 12.04.2017

In Verbindung mit dem Helferkreis der Generationenhilfe und der Evangelisvchen Kirche

 

Lebenssituation

 

Wir haben in Albanien bei meinem Vater und meiner Mutter bis Mai 2015 gewohnt, wo kein Platz war. Wir haben uns eine Mietwohnung im selben Viertel gesucht. Das war für uns als Ägypter sehr schwierig.

Vor der Ausreise haben wir bei verschiedenen Verwandten in Pogradec gewohnt.

 

 

Wir gehören zur ethnischen Minderheit der Ägypter und werden in Albanien nicht anerkannt und den Albaniern nicht gleichgestellt.

 

Ich habe die Schule bis zur Klasse 10 besucht und Isara bis Klasse 11. Wir mussten beide wegen der schwerwiegenden Diskriminierung die Schule abbrechen. Die Lehrer diskriminierten uns und wir durften in der Klasse nur hinten sitzen. Wir wurden von den Schülern beleidigt und die Lehrer haben nichts dagegen unternommen. Bei Tanzveranstaltungen in der Schule durften wir nicht mittanzen. Eine Lehrerin hat meine Noten bei einem Test falsch herum eingetragen, um mich zu unterdrücken und ein schlechtes Leistungsbild erscheinen zu lassen.

 

Nach der Schule habe ich in einer Schreinerei gearbeitet, die Möbel hergestellt hat, aber keinen Namen hatte. Ich habe dort für 0,50 € die Stunde gearbeitet und musste immer länger arbeiten als meine Kollegen. Isara hat einmal ein Praktikum in einem Fastfood-Restaurant gemacht, aber die Stelle nicht bekommen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu den Ägyptern. Sie hat auch in einer Schuhfabrik gearbeitet, wurde aber von den Vorgesetzten wegen kleinster Fehler bloßgestellt und schikaniert und konnte nicht bleiben.

 

Wir Ägypter werden von der Bevölkerung beleidigt und ausgegrenzt. Wenn irgendetwas schlecht ist, werden die Ägypter dafür als Beispiel genommen: „Sei nicht wie ein Ägypter“. Auch die Nachbarn haben nicht mit uns geredet und sie haben uns nicht gegrüßt, wie alle anderen auch. Bei der Arbeit musste ich länger arbeiten und konnte nichts dagegen unternehmen, weil ich sonst meinen Arbeitsplatz verloren hätte. Ich war nie richtig angemeldet und hatte auch keine Versicherung, während die Albaner dies alles bekommen. Meine Frau Isara hat sich beim Arbeitsamt gemeldet, um Arbeit zu bekommen. Sie hat aber keine Antwort erhalten. Als meine Frau krank war, wurde sie nicht in der staatlichen Klinik behandelt und wir wurden in eine Privatklinik geschickt, in der sie selbst bezahlen musste, da der Staat nicht für ihre Behandlung aufkommt und wir keine Versicherung hatten.

 

Ich habe als Schweißer in einer Fabrik gearbeitet und habe 200 € im Monat verdient. Als Ägypter habe ich nicht den Lohn erhalten, den ein Albaner mit 300 € im Monat bekommen hat. Ich musste auch länger arbeiten. Wenn man krank wurde war nicht versichert und hatte auch nicht genug Geld, um die Kosten zu bestreiten und entsprechend für eine gute Behandlung zu bestechen.

Meine Frau hat aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit keine Arbeit gefunden und wurde von den Arbeitslisten gestrichen.

 

Daher haben wir uns entschlossen auszureisen und haben uns dafür etwa 800 € geliehen. Am 10.07.2014 haben wir Albanien verlassen und sind am 12.07.2015 in Deutschland eingereist. Wir haben eine Mitfahrgelegenheit in einem Auto nach Griechenland genutzt und sind von dort nach Frankfurt geflogen.

Wir sind aus humanitären Gründen hierhergekommen und ich möchte nicht, dass unser Kind das gleiche Schicksal erleben muss wie wir. Wenn wir zurückgehen müssten, hätten wir keine Wohnung, kein Geld und keine soziale Unterstützung, weil wir Ägypter sind.

 

 

Letzte Änderung:
2017-04-20 11:36
Verfasser:
Markus Fabian
Revision:
1.1
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